Bisbee, Marfa, Gruene
Bisbee, Arizona. Der deutsche Schriftsteller Michael Schulte hat in den 80er Jahren hier gelebt und darüber ein unfassbar komisches Buch geschrieben und somit das Interesse geweckt. Von Westen kommend lässt man die sozial verträgliche Skyline von Tucson links liegen, biegt kurz vor Benson nach Süden ab, passiert die merkwürdige Stadt Sierra Vista mit ihrem Armyfort Huachuca, der absolute Gegenentwurf zum Zielort, der sich mit einem Gebirgszug vor dieser Art von Aussenwelt schützt. Über dem Fort hängt bemerkt tatsächlich eine Drohne bzw. steht, ein irritierender Anblick.
Bisbee hingegen wirkt wie vom Kifferhimmel gefallen. Die Main Street – sieben Minuten, wenn man nirgends länger verweilt –, zählt auf einer halben Meile elf Galerien und sieben Antiquitätengeschäfte. Santa Fe hat wahrscheinlich auch so angefangen. Vermisst wird der One-Book-Store: Ein Farmer namens Walter Swan hat in den 90ern seine Erinnerungen aufgeschrieben und, da er keinen Verleger fand, mitten in Bisbee einen Laden angemietet, in dem es nur ein Buch zu kaufen gab: nämlich seins. Das hat zur Legendenbildung des Ortes beigetragen, denn damit schaffte er es in die Abendnachrichten der Nation. Für derlei Spielereien scheint kein Platz mehr in Bisbee, obwohl die Klientel immer noch spinnerter und weniger wohlhabend ist als in Santa Fe. Achtung: Schlurfende Althippies kreuzen die Fahrbahn. Nach Bisbee muss man wollen, die Arizona State Route 80 nach Douglas und die 92 nach Naco an der mexikanischen Grenze sind nicht gerade Durchgangsstrassen, der Ort liegt zwei Stunden vom nächsten grossen Zivilflughafen Tucson entfernt. Zentral ist das nur für Drogen- oder Menschenschmuggler. Trotzdem sieht man hier Nummernschilder aus allen möglichen Bundesstaaten, was für ein erfolgreiches Stadtmarketing spricht. Bisbee, das ist ein immerwährender Senioren-Springbreak, wo gerne gefeiert und gebechert wird, natürlich hat man längst seine eigene Mikrobrauerei. Viele Besucher sitzen auf den Veranden und schlürfen ihre Nachmittagsmargarita – „it’s five o’clock somewhere“ hat schon Jimmy Buffett gesungen. Frühmorgens sieht man vor der Coffee Company ältere Ladies hocken, mit Stirnband und Kopftuch, die den melancholischen Hunden nachblicken, welche gerade ihre Herrchen ausführen. Gerne das Modell mit Baskenmütze und Vollbart, die Herrchen, versteht sich. Jede Menge Leute, die irgendwas mit Kunst machen. Greenwich Village West, hat die New York Times befunden. Fast ist man dankbar, wenn man plötzlich auf einen Mann in einem sicher massgeschneiderten Anzug mit teuren Slippern, Krawatte und Hut trifft, der zudem gänzlich ungebatikt dahergekommt.
Gleichzeitig spürt man den Wilden Westen, der unmittelbar ausserhalb der Stadtgrenzen einsetzt, mit Koyoten, Klapperschlangen und Beutelratten, dennoch wird man hier nicht gleich an die Stadtgrenze eskortiert, wenn man nach Rucola fragt. Die Stadt ist auch nicht komplett aus der Welt, hier und dort verrichten junge Männer in der orangefarbenen Kluft des Arizona Departments of Correction, Sträflinge also, niedere Arbeiten im Stadtgebiet. Leider sieht man auch Männer mit kurzärmeligen Westernhemden – wie tief ist dieses Land gesunken? Dazu Outdoormänner in der Tracht von Schmetterlingsjägern, alleinstehende Männer, alleinfahrende Männer auf ihren albernen Harleys, ein Mann vom Typ Jeff Bridges in „Crazy Heart“ in einem Pickup, der seine Zähne putzt. All diese Typen ziehen wohl die Ladies in den wallenden Gewändern an. Aber auch junge – „die Stadt ist die Verlängerung unserer Wohnzimmer“ meint die grünäugige und blauhaarige Kellnerin im Santiago’s, die erst seit einem Jahr hier wohnt und sich schon richtig angekommen fühlt.
Bisbee ist ein natürliches Habitat für Kunstschmiede und Glasbläser, hat eine eigene Tageszeitung – nicht schlecht bei 5.600 Einwohnern, und die Umgebung von Cochise County ist nicht eben überbevölkert. Es gibt Krimis, denen Bisbee als Schauplatz dient, und eine Kaffeerösterei. „Paint your town“ steht auf einem ramponierten Van: Outdoor Painting Adventure. Das Projekt scheint gelungen, denn Bisbee strotzt vor Wandmalereien. In die Mauern eingearbeitete Kunst, Götzenfratzen aus Ton, Fahrradspeichen, ja, ganze Fahrräder, um die Kakteen wachsen. Der ganze Zauber entfaltet sich beim frühen Morgenspaziergang, wenn sich das Tal noch nicht so aufgeheizt hat, wobei: Wiewohl im Süden Arizonas gelegen, ist das Klima eher mediterran. Bisbee liegt auf fast 1700 Metern. Tatsächlich sind deshalb in den 60ern viele Hippies aus Kalifornien aus Angst vor Erdbeben und Tsunamis nach Bisbee gezogen, das eben hoch genug liegt, um vor Sturmfluten sicher zu sein.
Am nächsten Morgen vor dem Coffeeshop ein Veteranentreffen, so müssen die Betriebsausflüge von Grateful Dead ausgesehen haben. Ein junger Mann mit Kamera und Stativ, offensichtlich mit der Gruppe bekannt, macht Aufnahmen, augenblicklich erhebt sich lautstarker Protest: „Bring mein Gesicht bloss nicht auf Facebook!“ Gegen eine Starbucksfiliale würden sie sich hier sicher mit Händen und Füssen wehren. Der Widerspruchsgeist hat Tradition in einer Arbeitergemeinde, die lange Zeit von den Kupferminen gelebt hat. 1917 waren mehr als 3.000 Arbeiter in Streik getreten, der Arbeitgeber – die Phelps Dodge Corporation – liess sie kurzerhand nach New Mexiko deportieren. Nur wenige Kupferstecher kehrten zurück, da sie fürchteten, gelyncht zu werden. Als die Minen ausgebeutet waren (man förderte auch Silber und Gold), zogen sich die Minengesellschaften zurück, und mit dem Fall der Immobilienpreise kamen die Kalifornier. Die haben jüngst ein Verbot von Plastiktüten durchgesetzt sowie das Zusammenleben von Schwulen und Lesben erlaubt, und das im reaktionären Arizona. Bisbee wird von einer Bürgermeisterin regiert, die wohl die meisten As im Namen einer Amtsperson der USA besitzt: Adriana Zavala Badal.
An die Zeit des Bergbaus erinnert neben einer Sixpack-Kupferfigur mit Vorschlaghammer in der Hand die Queen Mine, die sogar zu besichtigen ist, Bisbee verfügt somit über einen soliden Underground. Derzeit werden wegen steigenden Rohstoffpreise Überlegungen angestrengt, die Minen wieder zu öffnen. Die Stadt hat aber auch ohne Industrie überlebt, in den Geschäften gibt es kaum Leerstand – das ist mehr, als sich vom Gros der Kleinstädte der USA sagen lässt, und in vielen Landstrichen Europas sieht es auf dem flachen Land nicht viel besser aus. Wie kann man also überleben in dieser globalisierten Welt, deren Arbeitsmärkte die kleinen Städte und Dörfer ausbluten lässt?
Man weiss ja nicht, ob bei Gemeinden tatsächlich eine Strategie dahinter steckt, aber in jedem Fall braucht es eine Geschichte, die sich verkaufen lässt. In Bisbee sind das die Minen und die Hippies. In Marfa, Texas spricht man die Hipster an und in Gruene die schweigende Mehrheit, die sich hier allerdings recht lebhaft gibt. Bisbee hat eifrig an seiner Legende gestrickt, und auch die kleine Stadt Marfa – 1.800 Einwohner, 1883 als Karawansarei einer Eisenbahngesellschaft gegründet im absoluten Niemandsland am Rande des Big Bend National Parks, Marfa hat sich in der Not – man sollte besser aus Notwehr sagen, wir sind in Texas – auf die Kunst verlegt. Mittlerweile ist Marfa nicht nur in Basel oder Düsseldorf bekannt für seine Galerien, Kunstwerke wie beispielsweise den „Prada Shop“ 30 Meilen vor den Toren der Stadt mitten in der Wüste, in dem man freilich nichts kaufen kann. Marfa diente als Filmschauplatz (1955 fing das an mit „Giganten“) und Sehnsuchtsort in zahllosen Liedern. Der Song „Marfa“ der Basler Band Moondog Show war der Auslöser für diesen Abstecher, über die Kellnerin Darlene, die darauf hofft, dass James Dean sie endlich nach Hollywood entführt. Nicht zu vergessen die Marfa-Lights, Leuchterscheinungen, die vor allem die Parawissenschaftler in Ekstase versetzen können.
Marfa liegt nicht so abgeschirmt wie Bisbee am Texas Highway 90, der Ort ist mithin offen für Zufallsbekanntschaften. Sonderlich befahren ist die Piste allerdings nicht. Nachts rauscht der Sunset Limited durch, der Amtrak-Zug von Houston nach L. A. hält allerdings nur in Alpine. Trotzdem hat Marfa überlebt, nicht nur als County Seat, sondern als Kunstmetropole, nachdem der New Yorker Künstler Donald Clarence Judd ab 1971 hier Land erworben hatte, um seine Stiftung zu etablieren. So ein Minimalist braucht schliesslich Platz. Er ist nicht der einzige geblieben, die bildenden Künstler sind scharenweise hier eingefallen, und wir sprechen hier von moderner Kunst, nicht von den schwärmerischen Landschaftsmalereien von Bisbee. Schliesslich wären da noch die Wandmalereien, die deutsche Kriegsgefangene im alten Offizierskasino anfertigten.
Von seiner Existenz als Wasserloch künden heute noch die zahllosen Tankstellen, von denen die meisten längst zu Galerien umgebaut worden sind. Auch der erfolgreiche Sender KRTS, Marfa Public Radio, residiert neuerdings in einer, nachdem man aus der alten Location rausgekickt worden ist, weil genau dort ein neues Hotel hinkommen soll. Einerseits spricht das für die Anziehungskraft der Stadt, ins Wochenende sollte man hier keinesfalls ohne Reservierung starten, andererseits sollte man sich sputen, wenn man den ungebrochen ursprünglichen Charakter von Marfa erleben will. Die Radiostation, so erklärt uns dort Travis Bubenik, ein Mittzwanziger mit einem modischen Haarschopf, wie man ihn eher in einer englischen Popband erwarten würde, sei übrigens auch von den örtlichen Ranchern akzeptiert, die stolz darauf wären, dass es hier so etwas gäbe, und die Mexikaner im Ort würden sich über die internationalen Nachrichten freuen. Er selbst wohnt hier, weil er von der Grossstadt, der Boomtown Austin im Fall, die gerade an ihrem Verkehr erstickt, die Schnauze voll hatte. Die CD der Moondog Show wird gerne in Empfang genommen. Border Radio funktionierte übrigens in den 50er Jahren von Mexiko aus, 50 Meilen südlich von hier, wohin viele Stationen auswichen, um ihre beim Establishment wenig gelittenen Rock’n’Roll-Shows auszustrahlen, die Vorläufer der Piratensender sozusagen.
In Marfa kann man die ganzen Texas-Peinlichkeiten vergessen: George Bush, Ted Cruz, Huntsville, Chuck Norris. Die Leute kommen hier ungenervter daher als anderswo. Selbst in einem hippen Restaurant wie dem Maiyas, das nicht einmal in New York unangenehm auffallen würde, geht es eher familiär zu. Trotz der unverkennbar vielen auswärtigen Besucher scheint man sich zu kennen, das Durchschnittsalter ist erstaunlich. In der Stadt trifft man auf Radfahrer, es gibt einen Fahrradverleih! Eine Buchhandlung! Was ist echt, was Kunst? Bildet die Wagenburg von alten, silber funkelnden Airstreams und Chevy Grummans (gerade war so einer im Film „Chef“ zu bewundern) tatsächlich ein Restaurant namens Food Shark? Was ist der „Wrong Store“? Kann man im Coffeeshop „Do your thing“ tatsächlich sein Ding machen? Wieso liegen da überall Kunstmagazine aus? Die örtliche Grocery – ist die tatsächlich echt mit ihrem Angebot von deutscher Schokolade und Schweizer Halsbonbons? (Umgekehrt wäre natürlich besser.) Ingwertee in der Halbwüste von Texas? Der Biker an der Kasse ist extrem freundlich. Hier findet man Menschen, derentwegen man den 28. Staat der USA mögen kann. Im Zimmer des Thunderbird-Hotels fehlt der Fernseher, was ebenfalls ungewöhnlich ist, und natürlich braucht man den auch nicht bei dem Sternenhimmel. Die Güterzüge mit ihren klagenden Hornsignalen sorgen für einen soliden Geräuschteppich, auch nachts. Am nächsten Morgen entpuppt sich sogar der Frühstücksraum des Hotels als Galerie.
Eigentlich ist es nur schwer zu verstehen, warum die Kellnerin Darlene aus dem Song der Moondogs unbedingt in dieses blöde Hollywood will. Wahrscheinlich, weil die Fünfziger Jahre nicht besonders spassig waren. Marfa liegt immer noch in Texas, und der Film „Giganten“ erteilt noch heute bereitwillig über die engen und engstirnigen Gesellschaftsstrukturen jener Zeit Auskunft, und so viel hat sich nicht geändert, wenn man sieht, wie die Mexikaner immer noch behandelt werden. Im Nebenjob ist Marfa eine gewöhnliche Kreisstadt mit einem Convention Center, mit Memorial-Day-Feiern von stolz dreinschauenden Menschen in bemerkenswerten Uniformen, Halloweenkostümen und ausufernden Stetsons, breitärschigen Pickup-Trucks und der Faith Alive Cowboy Church. Nicht vergessen sollte man den Kautionssteller, der auf den tröstlichen Namen Bill Weinacht hört. Mit den Kunstmenschen, die ihrem merkwürdigen Handwerk meist jenseits der Gleise nachgehen, hat man sich sicher arrangiert, denn sie stellen hier viele in Lohn und Brot, aber unproblematisch ist das Verhältnis nicht, wovon die Schusswunden im Gemäuer des Pradashops zeugen. Ein Thema lässt die Leute derzeit zusammenrücken: Der geplante Bau der Trans-Pecos-Pipeline von Fort Stockton nach Ojinaga, die die Mexikaner mit Gas versorgen soll, und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Natur im Big Bend Nationalpark. Wutbürger auch hier. (www.notinourbigbend.com) Wer Widersprüche liebt, ist in diesem Bundesstaat gut aufgehoben. Den Senator Ted Cruz verunglimpfen viele als „Bush with no brain“, wählen ihn aber trotzdem, schliesslich ist er Texaner.
Folgt man dem Highway 90 weiter nach Osten, parallel zur mexikanischen Grenze, passiert man alle Naslang die teils mit Partyzelten improvisierten Kontrollen der Grenzpolizei. Als Europäer ist man das kaum mehr gewohnt, den Pass vorzeigen zu müssen. Überhaupt haben sie sich alle Mühe gegeben, die Erinnerung an die Zonengrenze aufrecht zu halten: Vom Tonfall bis hin zu den Befestigungsanlagen. Wer zwischendurch gerne eine Stadt erleben möchte, die die Kurve nicht gekriegt hat, dem ist Del Rio zu empfehlen. Ganz anders Gruene, gesprochen „Green“, ein Stadtteil von New Braunfels, das die Herkunft seiner Bewohner schon mit dem Namen verrät. Dennoch ist Gruene durch und durch Texas.
Gruene boomt. Gott sei Dank darf es im Ortskern nicht verändert werden, weil es ins National Register aufgenommen wurde, aber drum herum zieht sich der Gürtel aus teuren Appartments in bewachten Siedlungen enger, und die vielen neuen Geschäfte verdecken die alten Industriehallen, in denen sie die Antiquitäten herstellen, die vorne in den Geschäften ver–hökert werden. Bei Tejas Traders z. B. haben sie einen liebevoll zugerosteten Truck in den Garten geparkt, um auch ja authentisch rüberzukommen. Die T-Shirt-Läden sind nicht so ramschig wie in Key West, die Klientel in Gruene muss deutlich betuchter sein als anderswo. Doch trotz aller Geschäftstüchtigkeit darf man sich beim einen oder anderen Anbieter auf die Porch setzen und einfach zuschauen, wie die Kolibris um einen Honigwasserspender herumschwirren. Und einen gewissen Trotz scheint man sich bewahrt zu haben, wenn man auf die Theke im Kaffeeladen ein Schild stellt: „We don’t speak Starbucks“. Das Restaurant Gristmill ist ganz auf Besucher von auswärts ausgerichtet, trotzdem sitzt man gemütlich über dem Guadalupe River, dem „grössten Erholungsfluss der USA“. (Unter „grösstes“ fangen sie in Texas gar nicht an.) Das Essen ist sogar gut, obwohl man sich bei der Lage nicht dieser Mühe unterziehen müsste.
Gruene ist natürlich ein praktischer Name in einer Zeit, da selbst in einigen Orten in Texas so etwas ähnliches wie Umweltbewusstsein aufflackert. Die Legende zum Ort wird gestrickt aus der Geschichte der Familie Grüne, die 1872 die Gemeinde gründete und sich ganz der Verarbeitung von Baumwolle verschrieb. Der Baumwollkapselkäfer und die Depression der 30er Jahre machten Gruene fast den Garaus, bis Anfang 1975 Pat Nolak und Mary Jane Nalley die alte Tanzhalle erwarben. Die Dance Hall ist zweifellos die Hauptattraktion, selbstredend die „älteste“ in ganz Texas. Bestimmt aber ist sie die schönste und diejenige mit dem besten Musikprogramm, wenn man Country, Western Swing oder Singer-Songwriter mag. Und getanzt wird meistens, selbst zum depressivsten Barden von ganz Texas. Gefertigt aus solidem Holz, die Seitenwände bei Hitze zum Hochklappen, die Reklameschilder unterhalb der Decke mit deutschen Namen wie Vollmar, Roth und Moeller sehen nicht so aus, als wären sie erst in den letzten Jahren hergestellt worden. Auch hier die Mischung aus Neugierigen mit Bügelfalten in den Jeans und Tanzwütigen, die sich schon seit ewig zu kennen scheinen und in dieser Konstellation auch schon vor sechs Jahren beim letzten Besuch das Tanzbein geschwungen haben wie die Lady mit der grossen Stoffblume im Haarteil. Ursprünglichkeit ist es, was die Leute eher instinktiv suchen, die sich hoffentlich noch lange gegenüber dem künstlichen Gruene, das sich immer mehr aufplustert, behaupten kann. In der Gruene Hall hat alles gespielt, was Rang und Namen hat, wovon die Fotogalerie kündet, sogar der grosse Willie Nelson. Lyle Lovett ist hier bereits in den frühen 80er Jahren aufgetreten und hat ein abenteuerliches Foto mit „Viel Glück“ signiert – auf deutsch.
Manche Städte haben sich mit der passenden Legende auf der Landkarte halten können, sie überleben als Entertainment. Kein einfaches Schicksal, weil man nie wissen kann, ob es immer genügend Leute geben wird, die es sich leisten können, unterhalten zu werden. Roslyn im Staate Washington, ein Minenstädtchen wie Bisbee, hat vor allem dank der Fernsehserie „Ausgerechnet Alaska“ überlebt, und Helen, Georgia hat sich als deutsches Alpendorf etabliert, recht scheusslich, jedoch erfolgreich: Wiewohl keine Geisterstadt, ist es gespenstisch. Ein kurzer Ortsname, der auf T-Shirts oder Tassen passt, ist unbedingt hilfreich. Falls Ihr Heimatort also vom Aussterben bedroht sein sollte, stöbern Sie einfach mal in den Geschichtsbüchern. Und falls sich dort nichts finden sollte, können Sie zur Not etwas erfinden. Wallfahrtsorte sind damit immer recht gut gefahren, Altdorf ebenso wie Bethlehem.
Flug ab ZRH mit US-Airways via Philadelphia und Dallas nach Tucson, etwa 1.600 CHF Hauptreisezeit. Als beste Zeit empfiehlt sich aber der April, da ist das Klima moderat. Die Reise ist umgekehrt denkbar und von der Dramaturgie von Ost nach West sogar besser.
Flug nach San Antonio (Gruene 30 Minuten), siehe oben, aber etwas billiger. Rückflug von Tucson. Bei Mietwagen Drop-off-Charge beachten. Weitere Ziele entlang der Route: Big Bend National Park in Texas. Organ Pipe National Park in Arizona.