Die Taucherin

Die Taucherin

„Die Taucherin“ ist eines der wenigen Bücher in meinem Regal, das mir von der Autorin persönlich vorbeigebracht wurde. Das macht es schon einmal zu etwas Besonderem. Das Buch bewegt sich geografisch zwischen dem Glottertal und Valencia, das bekanntlich in Spanien liegt, was es für all diejenigen ein bisschen schwer macht, die bei der EM die Niederlage der Deutschen gegen die Spanier haben verfolgen müssen. Da muss man als Leser einfach Größe zeigen. Aber es lohnt sich unbedingt. Interessanterweise hat Verena Boos in ihrem dritten Roman die spanischen Sequenzen (ca. 1,3 %) nicht simultan übersetzt, obwohl sie es könnte. Das verleiht dem Buch Nähe und Authentizität. Sie erschließen sich allerdings im Zusammenhang, und zur Not gibt es ja diverse Übersetzungs-Apps. Von allen Sprachen, von denen ich kein Wort beherrsche, verstehe ich Spanisch am zweitbesten nicht. Noch besser kann ich nur kein Italienisch. Sehr gut haben mir in der wörtlichen Rede die im Spanischen üblichen auf den Kopf gestellten Fragezeichen am Satzanfang gefallen – so es sich um eine Frage handelt. Und Fragen gibt es viele.

Mit Tauchen habe ich keinerlei Erfahrung, obwohl ich den Dingen gerne auf den Grund gehe. Mit Abtauchen eher – bevor sie unangenehm werden, die Dinge. Am besten ich verbrate die ganzen Tauchmetaphern, die sich in dem Zusammenhang aufdrängen, gleich in einem Aufwasch. Wäre naheliegend, einfach zu behaupten, die Autorin sei eingetaucht in eine Welt von Lüge und Betrug usw., ja gut, das ist sie – aber andere Tauchvokabeln wie Tiefe taugen besser, denn die hat das Buch, es geht nicht nur unter die Haut, sondern tiefer. Allein, was sie alles ans Tageslicht befördert. Den sog. „Sog“ entfaltet es im letzten Drittel, ich selbst habe das Ende nur mit Sauerstoffgerät lesen können: Einfach atemberaubend, eine bisweilen halsbrecherische Balance zwischen Gipfeln und Meeresboden bzw. klettern und tauchen, zwischen Kirche und Staat, zwischen schmerzhaft konkret und bestürzenden Andeutungen. Wie nebenbei gelingen ihr bei der Beschreibung eines Charakters Sätze wie „Er war in seiner Ernsthaftigkeit nicht abgründig genug, um interessant zu sein“. Sätze, die klingen wie aus der Hand geschüttelt, aber das Ergebnis harter Arbeit sind und großen Talents.

Trotz dieses Sogs zieht einen das Buch nicht runter. Ab Seite 200 habe ich es beschleunigten Tempos verschlungen, ein absoluter page turner, und am Ende habe ich das Tempo wieder gedrosselt, um nicht aus dieser Stimmung in die wirkliche Welt entlassen zu werden. Sie sehen: ich möchte gerne das abgelutschte Wort „spannend“ vermeiden. Was da in Spanien damals alles passiert ist, verschlägt einem schlicht die Sprache. Die Ära Franco liegt gerade mal 49 Jahre zurück.

Deshalb macht mich das Buch auch zornig, denn ich habe sie noch erlebt, die muffigen Spätfünfziger und Frühsechziger, eine Zeit, in der ein Nazi wie Hans Globke, der 1935 an der Erstellung der Nürnberger Rassegesetze beteiligt war, bereits 1953 Chef des Bundeskanzleramtes unter Adenauer werden konnte. Der Mann kommt im Roman nicht vor, aber es gibt genügend andere Schreckensgestalten ähnlichen Kalibers – vielen Dank, liebe Verena, dass Du dazu beiträgst, dass solche Mistkerle nicht in Vergessenheit geraten. Es gibt durchaus auch Mist-Kerlinnen. Ohnehin springt sie mit ihren Charakteren nicht eben zimperlich um, mitunter in einer dezent hinterhältigen Schreibe, sie entlässt Informationen nur zögerlich in die Welt und es braucht seine Zeit, bis sie sich im Kopf verdichten, der Leser ist zum Denken angehalten, das ist gut, denn das hält jung.

Ich bekenne offen: Das Buch hat mein Verhältnis zur Katholischen Kirche nicht eben verbessert ­ – und das war schon vorher mit „zerrüttet“ eher euphemistisch umschrieben. En passant erzählt Verena Boos – Ferena und nicht Werena – von der Entstehung des Teutonen-Tourismus in den späten 50ern, frühen 60ern, und wohin der in letzter Konsequenz geführt hat, lässt sich ablesen an den Bettenburgen in Benidorm oder am Ballermann, andererseits an Massenprotesten in Barcelona, auf Teneriffa und Mallorca gegen den sog. „Overtourism“.

Ich will niemanden nicht mit biographischen Daten langweilen, dafür gibt es Klappentexte und Google. Obwohl diese schon interessant wären (wieder das Wort „spannend“ umschifft!) Die Frage stellt sich natürlich: Wie kommt eine junge Frau aus den eher beschaulichen Schwäbischen Karpaten nach Madrid oder Mailand … Quatsch, nach Valencia und Barcelona, Bologna und Firenze, London und Glasgow, Villabajo und Villariba – gut, letzteres bitte streichen. Die Antwort ist einfach: Zunächst ein­mal mit Intercity, Cisalpino (lange her) und Regional-Express. Aber vor allem mit Forscherinnendrang und Neugier, mit Unternehmungslust und Fluchtbedürfnis, und all das mündet aktuell in ein großartiges Buch: Die Taucherin.

 

Damas y caballeros, disculpe: Por motivas de investigación no puedo decirte nada mas. Muchas gracias. (Ich tauche jetzt ab.)

 Erschienen im Kanon Verlag, Berlin

 

Verena Boos – Die Taucherin

Meine unergründliche Freundin

Valencia, die Stadt der Orangen, der Straßenfeste, der lauen Sommerabende. Die Stadt der Freundschaft zwischen Amalia und Marina. Doch die Fassaden dieser Stadt am Meer verbergen eine Geschichte, die tief in die Dunkelkammern einer deutschen und einer spanischen Familie führt. Mitreißend und psychologisch genau erzählt Verena Boos von der Suche zweier Töchter nach Wahrhaftigkeit und zeichnet dabei das Porträt einer faszinierenden Metropole am Meer.

Seit Kindertagen verbindet Amalia Faller eine enge Freundschaft mit Marina in Valencia. Als Marina von einem Tag auf den anderen verschwindet, macht sich Amalia aus dem Schwarzwald auf die Suche nach ihrer Freundin in Valencia. Dort wird Amalia stets eine andere: weicher und sensibler, unerschrockener und direkter, verwandelt sich in Amaia. Ihre Recherchen eröffnen ihr einen neuen Blick auf die alte Freundin und lassen verdrängte Erinnerungen auftauchen. Ihre Suche legt ein Geheimnis frei, das nicht nur die beiden Frauen auf viel existenziellere Weise miteinander verbindet, als sie es je geahnt hätten, sondern auch ihre Familien und ihre Länder.

»Zwei beste Freundinnen, die sich von klein auf kennen. Zwei Länder, die ihre schuldhafte Geschichte nie aufgearbeitet haben. Ein Roman, der daraus eine intensive und atemlos zu lesende Geschichte macht, die von Amalia und Marina.«

Stefanie de Velasco

»Verena Boos verknüpft deutsche und spanische Geschichte über einen Zeitraum von achtzig Jahren hinweg, mit Eindringlichkeit und narrativer Vielfalt.«

Thomas Lehr

»Zwischen dem Schwarzwald und Valencia spannt Verena Boos ihre deutsch-spanische Familiengeschichte. Mitreißend und kraftvoll erzählt sie von gefundener und verlorener Wahlschwesternschaft und der Tatsache, dass die Suche nach uns selbst niemals endet.«

Hannes Köhler

»[Verena Boos schreibt] in hochkarätigem Stil, präzise und poetisch.« 

Hörzu

»Ein eindrucksvolles Kunststück« 

Deutschlandfunk Büchermarkt

»Trotz des Stoffs ist ›Die Taucherin‹ von Licht und Wärme belebt, als wäre Verena Boos bei Joaquín Sorolla, dem impressionistischen Maler des mediterranen Gleißens in die Lehre gegangen. Nach diesem intelligenten Roman wird man sie endgültig als bemerkenswerte Schriftstellerin wahrnehmen.«

Deutschlandfunk Büchermarkt

»Eine wunderbare Sommerlektüre über die Beziehung zweier Frauen, Amalia und Marina, in Valencia, der faszinierenden Metropole am Meer.«

look!

»Packend und poetisch!«

Frau von Heute

 

Verena Boos

 

© Thomas C. Breuer Rottweil 24.09.2024 a