AfD – Äusserer Reichsparteitag in Rottweil am 24.02.24

 

AfD: Äusserer Reichsparteitag am 24.02.24 in Rottweil

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Eine Frage gleich zu Anfang: Warum sind die Leute derart überrascht über die Stärke der Rechtsextremen? Wir befinden uns in einem Land, wo manche bis in die 90er und Nuller Jahre hinein bedenkenlos Redewendungen wie „bis zur Vergasung“ oder „Das ist mir ein innerer Reichsparteitag“ gebraucht haben. Jetzt haben wir einen äußeren Reichsparteitag im Städtle (und was für einen!), nachdem wir erst letztes Jahr einen Aufmarsch erlebt haben. Was macht die Stadt so attraktiv für Nazis? Die anmutige Schönheit unserer Stadthalle? Finden sie das Image des Hundes passend? Das ist für RottweilerInnen bekanntermaßen kompliziert, ein Schicksal, dass wir mit der mexikanischen Stadt Chihuahua gemein haben.

Zur Erinnerung: Die Gemeinde Babenhausen in der Nähe von Hanau hat bitte schön wann Adolf Hitler seine Ehrenbürgerwürde aberkannt? 2021. Die Stadt Babelsberg in Brandenburg hat Joseph Goebbels die Ehrenwürgerbürde überhaupt nie aberkannt, never fucking ever, „auf Grund mangelnder Kenntnis der erfolgten Verleihung“, wie es offiziell so schön heißt.

Dem Schwabo vom vergangenen Wochenende konnte man Tipps entnehmen, wie man sein Haus unattraktiv für Waschbären macht. Ich will jetzt die Tiere gar nicht direkt vergleichen, das haben sie nicht verdient: Dringender sollte darüber nachgedacht werden, wie man Rottweil dauerhaft unattraktiv für Nazis macht. Ich finde, wir sind auf einem guten Weg – wobei: Das Aquasol zu schließen wegen diesen Bastarden und Bastardinnen ist der falsche Weg: Ich für meinen Teil würde sie gerne baden gehen sehen. Allerdings dürfen wir eines leider nicht vergessen: Für die Rechten sind wir hier das Entertainmentprogramm. Für manche von ihnen sogar eine Wichsvorlage. Das aber sollte niemanden von uns davon abhalten.

Generell treibt mich derzeit das Thema Angst um, deshalb hier mal ein paar Dinge, vor denen wir alle dringend Angst haben sollten. Als allererstes der proletenhafte Aufstieg der AfD – einer Partei, die nachweislich zu dämlich ist, einen Landesparteitag abzuhalten). Wie wir erleben dürfen, ist der Weg vom Glatzkopf zum Hitzkopf kein weiter. Und umgekehrt. Da sind ja nicht etwa vereinzelte Einzeller unterwegs – wie zur Hölle konnte es so weit kommen, dass in der Politik verhaltensauffällige Erwachsene den Ton angeben, die debilitäts-uneingeschränkt schalten und walten dürfen? Die AfD als politischer Arm der Identitären Bewegung dominiert das Spiel mit der Angst, hat es auf die Spitze getrieben, perfide perfektioniert, vor allem in den asozialen Netzwerken. Die beherrschen das mit deutscher Disziplin! Kann bitte irgendjemand diese nichtsnutzigen Netznutzer in Grund und Boden hacken? Wie gerne würde ich sagen: Jetzt ist Sänze!

Sowieso: Dass die Rechten sich Rechte nennen dürfen, ist eine Frechheit, ja, eine Anmaßung! Mit welchem Recht tun sie das, wer hat ihnen das Recht dazu gegeben? Natürlich ist das nicht ungeschickt – erste Assoziation: Das Recht, das sie auf ihrer Seite wähnen. Zweite Assoziation: Recht haben. Rechtsbeugung ist übrigens keine Gymnastikübung. Wo Rechte sind, sind auch Pflichten, hat Julia Klöckner einmal zur Flüchtlingskrise gesagt. (Who the fuck is Julia Klöckner?) Wo Rechte sind, sind PolitikerInnen wie sie nicht weit. Nicht in Frankreich: Le droit. Von Italien nicht zu sprechen: La duce vita! Da könnte man glatt vom Weg abkommen, vom rechten.

Laut AfD soll jedem Bürger etwas weggenommen werden: Der Arbeitsplatz, die Wohnung, das Schnitzel, die Pestizide, die Redefreiheit. Davon quatschen sie unentwegt: Dass man in diesem Land nicht mehr sagen darf, was man will. Sogar im Fernsehen sagen sie das. Unentwegt! Zu jedem Thema legen die Rechten das große Angstbesteck auf und treffen damit anscheinend das Generv der Zeit. Neulich habe ich einen von ihnen sagen hören: „In diesem Land soll nur eingebürgert werden können, der wo unsere Sprache sprechen tut!“ Es sind nicht die Außerirdischen, von denen uns Gefahr droht – es sind die unterirdischen Irdischen.

Aber was wollen sie? Freiheitsrechte einschränken, Frauenrechte einschränken, Arbeitsrechte einschränken, d.h. Schluss mit den Gewerkschaften. Gut, wenn ich mir den Weselsky so anschaue … Mindestlohn? Weg damit! Weg mit den Rundfunkverträgen, weg mit der Erinnerungskultur. Die Rechten wollen Schwache und Kranke ausgrenzen, z.B. Kinder mit Behinderung den Zugang zur Regelschule verwehren. Das ist Fakt. Sie wollen die Ausländer rauswerfen. Das ist abgefucked, denn das schreckt wiederum Investoren aus dem Ausland ab, die hier für Arbeitsplätze sorgen wollen. Außer Elon Musk. Keine Ahnung, wie man den Fachkräftemangel beheben will: Welche albanische Krankenschwester mag sich um einen Job in einem derart unattraktiven Land bemühen? Kurz: Die Rechten wollen alle Rechte einschränken, außer sich selbst. Ihr derzeitiges Erfolgsgeheimnis: Die Partei präsentiert sich geschlossen. Wie eine geschlossene Anstalt. Ihr Heilsbringer: Bernd Höcke. Ihr Sieg-Heils-Bringer. In dem Fall gilt: Inländer raus!

Wieso das so weit kommen konnte? Weil wir die Gefahr verharmlost haben. Weil die – bis auf Rottweil – besser geworden sind im Organisieren, in „Soschelmidia“. Weil wir uns nicht auf die Hinterbeine gestellt haben. Das passiert erst jetzt – guten Morgen Deutschland! Weil wir nicht aufgepasst haben. Weil wir verdrängt haben. Weil wir mit den Unzufriedenen, den Wutbürgern und anderen nicht gesprochen haben. Das ist nämlich die einzige Methode, die Rechten wieder aus den Parlamenten outzusourcen. Gut, das könnte schwierig werden: Wann trifft man solche Leute überhaupt? Leider ganz einfach, die sitzen schon an der Kaffeetafel bei Oma Gretchens Geburtstag, sie sind Nachbarn, man trifft sie im Elternbeirat und im Verein. Rein rechnerisch – etwa jeder fünfte will die AfD wählen – muss sich schon in unmittelbarer Umgebung jemand mit dieser Gesinnung befinden. Weil sie sich immer häufiger aus der Deckung trauen, sollten wir die Gelegenheit nutzen: Keine Vorwürfe, sondern eher mit Fragen zu­scheißen: 0b sie so ein Land wollen? Nicht einfach weghören und denken, och, das renkt sich schon wieder ein, oder: Oppa Horst ist eben ein wenig wunderlich geworden. Enkel Sascha ist das leider auch. Oder Tante Melanie. Hey, Leute: Man darf auch beide Hirnhälften benutzen! Okay, Argumente verfangen selten, also sollte man Fragen stellen – willst du das echt: Weniger verdienen oder geringere Sozialleistungen beziehen, kaum Arbeitsrechte, dein Kind darf nicht auf die Schule, auf die es sollte, keine angemessene Versorgung mehr im Krankenhaus, usw.? Deine Meinung dazu müsstest Du in Zukunft sowieso für dich behalten.

Das Vergnügen ist noch ungetrübt, hier wird für die Apokalypse geübt. Die AfD ist die Partei mit dem Haken auf dem Plakat – und nicht nur da. Die Taktik: Angst. Angst schüren. Mit dem Angstschürhaken. Angstschürhakenkreuz. Hasspredigen als Lifestyle. Die Dauerempörung versetzt die Empörungsbetörten in den beglückenden Zustand moralischer Überlegenheit. Dieses Wort wiederum hat nichts mit „überlegen“ im Sinn von nachdenken zu tun. Überall im Land gibt es Grüngutsammelstellen – warum eigentlich noch keine Braunschlechtsammelstellen? Den Montagspestvögeln in der Oberen Hauptstraße dürfen wir zwar keine Steine in den Weg legen, aber demnächst haben wir ja E-Roller in der Stadt. Falls bei den Rechten schon irgendwelche Listen existieren mit Künstlern, die es nach der Machtergreifung zu verfolgen gilt – hey, wenn ich da nicht draufstehe, werde ich mich einklagen.

Vielen Dank in dem Zusammenhang an Friedrich Merz. Der steht einer Partei vor, deren Mitglieder hart am Existenzmaximum leben, einer ruchlosen Bande von Klimapassivisten, die vor allem mit einer benutzerfreundlichen Oberflächlichkeit punkten wollen. Für Merz ist das die letzte Chance, in seinem Alter ist er schwer, nein: unvermittelbar. Vielleicht findet er irgendwo einen Job als Unvermögensberater. Ich persönlich empfönde es als wohltuend, wenn er sich gelegentlich dazu herablassen könnte, etwas weniger Arroganz an den Tag zu legen. Bereits im Januar 2000 hat er den Ton gesetzt: „Das erschwert die Situation und erleichtert sie nicht für uns.“ Ich hoffe für Herrn Merz, dass er eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hat, sonst könnte es eng werden für ihn.

Beinhart hat er gegen den Haushalt der Ampel geklagt und die Regierung damit zu Einsparungen gezwungen – in der Hoffnung, dass sich die Wut der Betroffenen vorteilhaft für die CDU auswirkt. Die Wutbürger aber, befeuert durch Impfgegner und ähnlichem Gesocks, sind gleich zur AfD abgewandert oder zu dem wunderlichen Herrn Aiwanger, was auch keinen großen Unterschied macht. Der Schuss ging folglich nach hinten los. Nebenbei: Wenn wir die Bauern immer hätten gewähren lassen, sie hätten uns schon längst vergiftet. (Ähnliches gilt für die Bayern).

Wir sollten uns die lokalen CDU-Granden vorknöpfen: Wie lange sie ihre oft bemühte Brandmauer stehen lassen wollen, oder ob es dazu schon Alternativen für Deutschland gibt. Wenn die Christdemokraten eine rote Linie ziehen wollen, nehmen sie oft den Einfaltspinsel. 43 Jahre habe ich Kabarett gemacht – die AfD habe ich nicht aufhalten können. Sorry dafür. Den Friederich, den Friederich werde ich womöglich auch nicht stoppen. Über den habe ich schon vor zwanzig Jahren Witze machen müssen. Eh eine Schande, dass ich mich in meinem Alter mit solchen Typen abgeben muss. Zum Glück mache ich eh kein Kabarett mehr. Ich könnte, wenn ich wöllte. So habe ich mich gefragt, ob der Schuhbeck im Knast in Landsberg in der Küche steht und Anti-Haft-Pfan­nen verwenden darf … Was ich sagen will: Vielleicht liegt es tatsächlich also an euch, aktiv zu werden, vor allem auch zu bleiben und sich einzumischen. Ermutigende Beispiele gibt es zuhauf, hier und heute z. B., mit Einsetzen der Proteste gingen die Umfragewerte der AfD leicht runter. Was man z. B. mit simplen Tennisbällen erreichen kann, hat der DFB gerade erleben dürfen. Einfach dranbleiben, vielleicht mal einen Blick ins Grundsatzprogramm der AfD werfen und sich ein paar Fragen dazu überlegen – also im Sinne von nachdenken. Oder die zuständigen Abgeordneten bitten, einen Katalog zusammenstellen: 12 Fragen, die den AfD-Wähler aus der Kurve tragen.

Über die Ampel hören Sie von mir nichts – so gut wie nichts. Mir fällt ehrlich gesagt dazu auch nichts mehr ein, außer einer Binsenweisheit: Wenn die Ampel nicht funktioniert, gilt rechts vor links. Ein Problem: Unüberbrückbare Gemeinsamkeiten. Sie lassen aber auch nichts aus, das ist ja keine Regierung, sondern eher ein Dauer-Flashmob, mit Erstwohnsitz im Fettnäpfchen, und absolut ein Fall für das UNO-Hochkommissariat für Flüchtigkeitsfehler. Ich frage mich nur, wie man auf die saudumme Idee verfallen konnte, mit den Gelbbauchunken von Patrick Lind­ner eine Koalition einzugehen. Moment, heißt der überhaupt Patrick? Vielleicht doch Christoph. Christian? Christian Lindner? Egal.

Wenn wir schon gerade dabei sind, hier noch ein paar aktuelle Ängste: Vor zehn Jahren, am 18. Februar 2014 ist Putin auf der Krim einmarschiert. Da gab es ein bisschen internationales Gegrummel, aber niemand hat ihm empfindlich auf die Finger gehauen: Für ihn war das der Freifahrtschein für den Krieg gegen die Ukraine. Heute haben wir immer wieder Riesenprobleme mit diesem Herrn Orban. Wieso schmeißen wir den Typen nicht einfach raus aus der EU? Erwachsen uns daraus irgendwelche Nachteile? Nein. Aber ihm! Bei allem unterlassenen Respekt: Miért nem kerül végre a pokolba? Warum immer warten, bis es zu spät ist? Der Er­doğan – wenn der mal die Macht verliert, kommt er sicher rasch auf Turkey – keine Ahnung, was dann passiert. Wahrscheinlich: nix. Warum kuschen wir also dauernd vor ihm? Wieso zählt Größenwahn eigentlich nicht zu den sieben Todsünden? Dafür könnten man doch die Wollust streichen.

Kleiner Spoiler: In genau elf Monaten ist Heiligabend. Was ich mir jetzt schon wünschen würde: Dass die Tagesschau mit einem Schwarz-weiß-Foto von The Donald aufmacht. Ich wünsche mir mal einen Tag ohne Putain … Putin, also den Pumlchef Kretin, diesem Widerling mit einem IQ nahe des Gefrierpunkts. Einen Tag ohne Irananreicherung. Ohne Orban und Er­doğan, dem Osmanischen Beutewolf. Lukaschenko. 習近平 / 习近平 (Xi Jinping). Kim Jong-un. Ohne diesen Pís-Zwerg Kac­zyński aus Polen. Entre nous, ich könnte gut ein paar Tage ohne Netanyahu leben. Wochen … Jahre … Ohne Hamas und Huthis. Vor allem ohne diese dreiwettergetafteten Frisurenheinis, die in den letzten Jahren in Mode und an die Macht gekommen sind: Trump. Boris Johnson. Geert Wilders, der flegelnde Holländer. Milei, der Kettensägen-Gaucho. Die lassen ihre Haare nur sprießen wegen des Wiedererkennungsdefekts, denn inhaltlich haben sie nichts zu bieten. Ohne Haare ist allerdings nicht besser: Infantino. Dass man dem nicht beikommt … FIFA steht für „Fragwürdige Internationale Finanzielle Aktivitäten“. Was machen die Behörden die ganze Zeit? Die richtig wichtigen Mafiabosse haben sie in den USA immer wegen Lappalien drangekriegt, Al Capone wegen der Steuer.

Seit der WM 2006, dem sog. Sommermärchen, hieß es doch, die Deutschen seien lockerer geworden. Jetzt wundern sich alle, dass nichts mehr funktioniert in diesem Land. Alle möglichen Blödlöffel behaupten, Politiker seien abgehoben. Komisch: Beim Flieger wird es begrüßt, beim Überflieger bejubelt – und ausgerechnet in der Politik bemängelt. Diese Leute sind doch keine Bodenbrüter, die müssen hoch hinauswollen. Am Boden bleiben die nur, wenn sie jemandem auf den Leim gegangen sind. Die beste Bodenhaftung hatten immer noch die Klimakleber, aber auch da ist längst nicht alles in Ordnung: Die meisten sind in Ruhestand, und mit Greta Thunberg haben sich die Umweltaktivisten eh auseinandergeklebt.

Was derzeit fehlt, ist Orientierung. Wie heißt es so schön: Der Klügere dreht durch. Wahrscheinlich hilft da nur das, was Max Frisch einmal eine „gelassene Panik“ bezeichnet hat. Vielleicht können wir uns darauf einigen: Die Welt ist ein brandgefährlicher Ort. Andererseits: Wahrscheinlich ist die Welt einfach nur bekloppt. In Brasilien sind die Leute im vergangenen Herbst auf die Straße gegangen – für einen Militärputsch! Hallo?? In Indien sind Hautaufhellerprodukte der große Renner, bei uns rennen sie in die Bräunungsstudios, auch im übertragenen Sinn. Wir mögen zwar in der Gegenwart leben, aber sicher nicht in der Geistesgegenwart.

Dietrich Bonhoeffer wurde einmal gefragt, warum so viele Deutsche die Lügen und Hetzkampagnen der Nazis glaubten und Vernunft, Moral und Mut ausblendeten. Die Antwort: „Gegen die Dummheit sind wir wehrlos.“

Wer mehr zum Thema Angst hören möchte: Am Samstag, dem 2. März in Hausen, im Café Fritz & Frida: „Angstfrei fürchten“.

Noch mehr zum Thema: https://www.hr2.de/podcasts/thomas-c-breuer-angst-gehoert-zum-alltag,audio-91564.html (Beitrag von hr2.de)

 

 

© Thomas C. Breuer Rottweil im Februar2024